Bereits in der Vergangenheit hatte sich der EUGH mehrmals zu dem Thema Urlaubsanspruch geäußert.
So ging es im Jahr 2011 bei einem Rechtsstreit in Frankreich darum, ob einem Dienstnehmer trotz lang andauernder Krankheit Anspruch auf Urlaub gebührt (Das nationale Recht in Frankreich gewährt einen Urlaubsanspruch erst nach einer festgelegten Mindestarbeitsdauer).
In Deutschland machte 2018 ein Rechtsstreit auf sich aufmerksam, bei dem 2 ArbeitnehmerInnen ihren Urlaubsanspruch einklagten, nachdem sie aus dem Unternehmen ausgetreten waren. Laut Angaben des Arbeitgebers wurde der Urlaub nicht verbraucht, obwohl die Möglichkeit dazu betrieblich gegeben war.
Anfang dieses Jahres äußerte sich nun auch der OGH zu einem Thema des Urlaubsanspruches:
In diesem Fall war ein österreichischer Arbeitnehmer bei einem Arbeitgeber durch einen „unberechtigten vorzeitigen Austritt“ aus dem Dienstverhältnis ausgetreten. Im Zuge der Endabrechnung kam es durch den Arbeitgeber zu keiner Auszahlung einer Urlaubsersatzleistung, obwohl der Dienstnehmer nicht den gesamten Urlaubsanspruch konsumiert hatte. Konkret waren 3,33 Urlaubstage strittig.
Auch Zurecht wie der Arbeitgeber meinte. Dieser hatte sich an § 10 Abs. 2 UrlG orientiert. In welchem definiert wird, dass im Falle eines „unberechtigten vorzeitigen Austrittes“ der gesamte Urlaubsanspruch verfällt.
Der Arbeitnehmer klagte die noch offenen Urlaubstage ein. Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab, woraufhin ein Vorabentscheidungsverfahren beim EUGH eingebracht wurde.
Die Aussage des EUGH:
Der gänzliche Verfall der Urlaubsersatzleistung in Folge eines unberechtigten vorzeitigen Austrittes verstieße gegen das EU-Recht (Art 7 Abs 2 der Richtlinie 2003/88). Entsprechend dieser Richtlinie hat ein jeder Arbeitnehmer und eine jede Arbeitnehmerin einen Mindestanspruch von vier Wochen Urlaub, der nicht im Zuge eines bestimmten Austrittstatbestandes verfallen kann.
Mit dieser Begründung ging der Rechtsstreit zur finalen Klärung zum OGH.
Die Erkenntnis des OGH:
Das österreichische Urlaubsgesetz räumt ArbeitnehmerInnen, je nach Abhängigkeit der Dienstzeit, einen Urlaubsanspruch von 5 bzw. 6 Wochen pro Urlaubsjahr ein. Da das nationale Recht, gegenüber dem EU-Recht (Mindestanspruch 4 Wochen) eine für ArbeitnehmerInnen günstigere Vereinbarung vorsieht, ist dem nichts zu entgegnen.
Im vorliegenden Fall verwies der OGH darauf, dass der nationale Urlaubsteil sehr wohl verfallen könne, jedoch nicht der Urlaubsanspruch gemäß EU-Recht (Art 7 Abs 2 der Richtlinie 2003/88).
Somit hatte der Arbeitgeber die restlichen Urlaubstage, entsprechend dem Urlaubsanspruch von vier Wochen, in Form der Urlaubsersatzleistung zur Auszahlung zu bringen. Dabei handelte es sich abweichend von den 3,33 geforderten Tagen um 1,86 Urlaubstage.
Diese Erkenntnis wird in der Praxis bestimmt „Wellen“ bewirken, da Personalabteilungen bei gewissen Austrittsgründen den Urlaubsanspruch nach EU-Recht neu bewerten müssen.